The Complete Brothers Grimm Fairy Tales
This collection of "classics" certainly is a departure from the Disney versions. The tales are mostly very dark and pessimistic, as originally recorded by the Brothers. For the more "colourful" children's stories it is better to buy the specific tales from the bookstore instead of a collective book.
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Die Rübe
der Brüder Grimm
Es waren einmal zwei Brüder, die dienten beide als
Soldaten, und war der eine reich, der andere arm. Da wollte der
Arme sich aus seiner Not helfen, zog den Soldatenrock aus und
ward ein Bauer. Also grub und hackte er sein Stückchen
Acker und säte Rübsamen. Der Same ging auf, und es
wuchs da eine Rübe, die ward groß und stark und
zusehends dicker und wollte gar nicht aufhören zu wachsen,
so daß sie eine Fürstin aller Rüben
heißen konnte, denn nimmer war so eine gesehen, und wird
auch nimmer wieder gesehen werden.
Zuletzt war sie so groß, daß sie allein einen
ganzen Wagen anfüllte, und zwei Ochsen daran ziehen
mußten, und der Bauer wußte nicht, was er damit
anfangen sollte, und obs sein Glück oder sein Unglück
wäre. Endlich dachte er "verkaufst du sie, was wirst du
Großes dafür bekommen, und willst du sie selber
essen, so tun die kleinen Rüben denselben Dienst: am
besten ist, du bringst sie dem König und machst ihm eine
Verehrung damit."
Also lud er sie auf den Wagen, spannte zwei Ochsen vor,
brachte sie an den Hof und schenkte sie dem König.
"Was ist das für ein seltsam Ding?" sagte der
König, "mir ist viel Wunderliches vor die Augen gekommen,
aber so ein Ungetüm noch nicht; aus was für Samen mag
die gewachsen sein? oder dir geräts allein und du bist ein
Glückskind."
"Ach nein," sagte der Bauer, "ein Glückskind bin ich
nicht, ich bin ein armer Soldat, der, weil er sich nicht mehr
ernähren konnte, den Soldatenrock an den Nagel hing und
das Land baute. Ich habe noch einen Bruder, der ist reich, und
Euch, Herr König, auch wohl bekannt, ich aber, weil ich
nichts habe, bin von aller Welt vergessen."
Da empfand der König Mitleid mit ihm und sprach
"deiner Armut sollst du überhoben und so von mir beschenkt
werden, daß du wohl deinem reichen Bruder gleich kommst."
Da schenkte er ihm eine Menge Gold, Äcker, Wiesen und
Herden und machte ihn steinreich, so daß des andern
Bruders Reichtum gar nicht konnte damit verglichen werden.
Als dieser hörte, was sein Bruder mit einer einzigen
Rübe erworben hatte, beneidete er ihn und sann hin und
her, wie er sich auch ein solches Glück zuwenden
könnte. Er wollts aber noch viel gescheiter anfangen, nahm
Gold und Pferde und brachte sie dem König und meinte nicht
anders, der würde ihm ein viel größeres
Gegengeschenk machen, denn hätte sein Bruder so viel
für eine Rübe bekommen, was würde es ihm
für so schöne Dinge nicht alles tragen.
Der König nahm das Geschenk und sagte, er
wüßte ihm nichts wiederzugeben, das seltener und
besser wäre als die große Rübe. Also
mußte der Reiche seines Bruders Rübe auf einen Wagen
legen und nach Haus fahren lassen. Daheim wußte er nicht,
an wem er seinen Zorn und Ärger auslassen sollte, bis ihm
böse Gedanken kamen und er beschloß, seinen Bruder
zu töten.
Er gewann Mörder, die mußten sich in einen
Hinterhalt stellen, und darauf ging er zu seinem Bruder und
sprach "lieber Bruder, ich weiß einen heimlichen Schatz,
den wollen wir miteinander heben und teilen."
Der andere ließ sichs auch gefallen und ging ohne Arg
mit. Als sie aber hinauskamen, stürzten die Mörder
über ihn her, banden ihn und wollten ihn an einen Baum
hängen.
Indem sie eben darüber waren, erscholl aus der Ferne
lauter Gesang und Hufschlag, daß ihnen der Schrecken in
den Leib fuhr und sie über Hals und Kopf ihren Gefangenen
in den Sack steckten, am Ast hinaufwanden und die Flucht
ergriffen. Er aber arbeitete oben, bis er ein Loch im Sack
hatte, wodurch er den Kopf stecken konnte.
Wer aber des Wegs kam, war nichts als ein fahrender
Schüler, ein junger Geselle, der fröhlich sein Lied
singend durch den Wald auf der Straße daherritt. Wie der
oben nun merkte, daß einer unter ihm vorbeiging, rief er
"sei mir gegrüßt zu guter Stunde."
Der Schüler guckte sich überall um, wußte
nicht, wo die Stimme herschallte, endlich sprach er "wer ruft
mir?"
Da antwortete er aus dem Wipfel "erhebe deine Augen, ich
sitze hier oben im Sack; der Weisheit: in kurzer Zeit habe ich
große Dinge gelernt, dagegen sind alle Schulen ein Wind:
um ein weniges, so werde ich ausgelernt haben, herabsteigen und
weiser sein als alle Menschen. Ich verstehe die Gestirne und
Himmelszeichen, das Wehen aller Winde, den Sand im Meer,
Heilung der Krankheit, die Kräfte der Kräuter,
Vögel und Steine. Wärst du einmal darin, du
würdest fühlen, was für Herrlichkeit aus dem
Sack der Weisheit fließt."
Der Schüler, wie er das alles hörte, erstaunte
und sprach "gesegnet sei die Stunde, wo ich dich gefunden habe,
könnt ich nicht auch ein wenig in den Sack kommen?"
Oben der antwortete, als tät ers nicht gerne, "eine
kleine Weile will ich dich wohl hineinlassen für Lohn und
gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es
ist ein Stück übrig, das ich erst lernen muß."
Als der Schüler ein wenig gewartet hatte, war ihm die
Zeit zu lang und er bat, daß er doch möchte
hineingelassen werden, sein Durst nach Weisheit wäre gar
zu groß.
Da stellte sich der oben, als gäbe er endlich nach,
und sprach "damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann,
mußt du den Sack am Strick herunterlassen, so sollst du
eingehen."
Also ließ der Schüler ihn herunter, band den
Sack auf und befreite ihn, dann rief er selber "nun zieh mich
recht geschwind hinauf," und wollt geradstehend in den Sack
einschreiten.
"Halt!, sagte der andere, "so gehts nicht an," packte ihn
beim Kopf, steckte ihn umgekehrt in den Sack, schnürte zu
und zog den Jünger der Weisheit am Strick baumwärts,
dann schwengelte er ihn in der Luft und sprach "wie stehts,
mein lieber Geselle? siehe, schon fühlst du, daß dir
die Weisheit kommt, und machst gute Erfahrung, sitze also fein
ruhig, bis du klüger wirst."
Damit stieg er auf des Schülers Pferd, ritt fort,
schickte aber nach einer Stunde jemand, der ihn wieder
herablassen mußte.
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