The Complete Brothers Grimm Fairy Tales
This collection of "classics" certainly is a departure from the Disney versions. The tales are mostly very dark and pessimistic, as originally recorded by the Brothers. For the more "colourful" children's stories it is better to buy the specific tales from the bookstore instead of a collective book.
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Die Gänsemagd
der Brüder Grimm
Es lebte einmal eine alte Königin, der war ihr Gemahl schon lange
Jahre gestorben, und sie hatte eine schöne Tochter. Wie die erwuchs,
wurde sie weit über Feld an einen Königssohn versprochen. Als
nun die Zeit kam, wo sie vermählt werden sollten und das Kind in das
fremde Reich abreisen mußte, packte ihr die Alte gar viel
köstliches Gerät und Geschmeide ein, Gold und Silber, Becher und
Kleinode, kurz alles, was nur zu einem königlichen Brautschatz
gehörte, denn sie hatte ihr Kind von Herzen lieb.
Auch gab sie ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten und die Braut in
die Hände des Bräutigams überliefern sollte, und jede bekam
ein Pferd zur Reise, aber das Pferd der Königstochter hieß
Falada und konnte sprechen. Wie nun die Abschiedsstunde da war, begab sich
die alte Mutter in ihre Schlafkammer, nahm ein Messerlein und schnitt
damit in ihre Finger, daß sie bluteten: darauf hielt sie ein
weißes Läppchen unter und ließ drei Tropfen Blut
hineinfallen, gab sie der Tochter und sprach "liebes Kind, verwahre sie
wohl, sie werden dir unterwegs not tun."
Also nahmen beide voneinander betrübten Abschied: das Läppchen
steckte die Königstochter in ihren Busen vor sich, setzte sich aufs
Pferd und zog nun fort zu ihrem Bräutigam.
Da sie eine Stunde geritten waren, empfand sie heißen Durst und
sprach zu ihrer Kammerjungfer "steig ab, und schöpfe mir mit meinem
Becher, den du für mich mitgenommen hast, Wasser aus dem Bache, ich
möchte gern einmal trinken."
"Wenn Ihr Durst habt," sprach die Kammerjungfer, "so steigt selber ab,
legt Euch ans Wasser und trinkt, ich mag Eure Magd nicht sein."
Da stieg die Königstochter vor großem Durst herunter, neigte
sich über das Wasser im Bach und trank, und durfte nicht aus dem
goldenen Becher trinken. Da sprach sie "ach Gott!" da antworteten die drei
Blutstropfen
"Wenn das deine Mutter wüßte,
Das Herz im Leibe tät ihr zerspringen."
Aber die Königsbraut war demütig, sagte nichts und stieg wieder
zu Pferde. So ritten sie etliche Meilen weiter fort, aber der Tag war
warm, die Sonne stach, und sie durstete bald von neuem. Da sie nun an
einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer
"steig ab und gib mir aus meinem Goldbecher zu trinken," denn sie hatte
aller bösen Worte längst vergessen.
Die Kammerjungfer sprach aber noch hochmütiger "wollt Ihr trinken, so
trinkt allein, ich mag nicht Eure Magd sein." Da stieg die
Königstochter hernieder vor großem Durst, legte sich über
das fließende Wasser, weinte und sprach "ach Gott!" und die
Blutstropfen antworteten wiederum
"Wenn das deine Mutter wüßte,
Das Herz im Leibe tät ihr zerspringen."
Und wie sie so trank und sich recht überlehnte, fiel ihr das
Läppchen, worin die drei Tropfen waren, aus dem Busen und floß
mit dem Wasser fort, ohne daß sie es in ihrer großen Angst
merkte. Die Kammerjungfer hatte aber zugesehen und freute sich, daß
sie Gewalt über die Braut bekäme: denn damit, daß dies e
die Blutstropfen verloren hatte, war sie schwach und machtlos geworden.
Als sie nun wieder auf ihr Pferd steigen wollte, das da hieß Falada,
sagte die Kammerfrau "auf Falada gehör ich, und auf meinen Gaul
gehörst du;" und das mußte sie sich gefallen lassen. Dann
befahl ihr die Kammerfrau mit harten Worten, die königlichen Kleider
auszuziehen und ihre schlechten anzulegen, und endlich mußte sie
sich unter freiem Himmel verschwören, daß sie am
königlichen Hof keinem Menschen etwas davon sprechen wollte; und wenn
sie diesen Eid nicht abgelegt hätte, wäre sie auf der Stelle
umgebracht worden. Aber Falada sah das alles an und nahms wohl in acht.
Die Kammerfrau stieg nun auf Falada und die wahre Braut auf das schlechte
Roß, und so zogen sie weiter, bis sie endlich in dem
königlichen Schloß eintrafen. Da war große Freude
über ihre Ankunft, und der Königssohn sprang ihnen entgegen, hob
die Kammerfrau vom Pferde und meinte, sie wäre seine Gemahlin: sie
ward die Treppe hinaufgeführt, die wahre Königstochter aber
mußte unten stehen bleiben. Da schaute der alte König am
Fenster und sah sie im Hof halten und sah, wie sie fein war, zart und gar
schön: ging alsbald hin ins königliche Gemach und fragte die
Braut nach der, die sie bei sich hätte und da unten im Hofe
stände, und wer sie wäre. "Die hab ich mir unterwegs mitgenommen
zur Gesellschafe; gebe der Magd was zu arbeiten, daß sie nicht
müßig stehe." Aber der alte König hatte keine Arbeit
für sie und wußte nichts, als daß er sagte "da hab ich so
einen kleinen Jungen, der hütet die Gänse, dem mag sie helfen."
Der Junge hieß K ürdchen (Konrädchen), dem mußte die
wahre Braut helfen Gänse hüten.
Bald aber sprach die falsche Braut zu dem jungen König "liebster
Gemahl, ich bitte Euch, tut mir einen Gefallen."
Er antwortete "das will ich gerne tun."
"Nun so laßt den Schinder rufen und da dem Pferde, worauf ich
hergeritten bin, den Hals abhauen, weil es mich unterwegs geärgert
hat." Eigenetlich aber fürchtete sie, daß das Pferd sprechen
möchte, wie sie mit der Königstochter umgegangen war.
Nun war das so weit geraten, daß es geschehen und der treue Falada
sterben sollte, da kam es auch der rechten Königstochter zu Ohr, und
sie versprach dem Schinder heimlich ein Stück Geld, das sie ihm
bezahlen wollet, wenn er ihr einen kleinen Dienst erwiese. In der Stadt
war ein großes finsteres Tor, wo sie abends und morgens mit den
Gänsen durch mußte, "unter das finstere Tor möchte er dem
Falada seinen Kopf hinnageln, daß sie ihn doch noch mehr als einmal
sehen könnte." Also versprach das der Schindersknecht zu tun, hieb
den Kopf ab und nagelte ihn unter das finstere Tor fest.
Des Morgens früh, da sie und Kürdchen unterm Tor hinaustrieben,
sprach sie im Vorbeigehen
"O du Falada, da du hangest,"
da antwortete der Kopf
"O du Jungfer Königin, da du gangest,
Wenn das deine Mutter wüßte
ihr Herz tät ihr zerspringen."
Da zog sie still weiter zur Stadt hinaus, und sie trieben die Gänse
aufs Feld. Und wenn sie auf der Wiese angekommen war, saß sie nieder
und machte ihre Haare auf, die waren eitel Gold, und Kürdchen sah sie
und freute sich, wie sie und wollte ihr ein paar ausraufen. Da sprach sie
"Weh, weh, Windchen,
Nimm Kürdchen sein Hütchen,
Und laß'n sich mit jagen,
Bis ich mich geflochten und geschnatzt,
Und wieder aufgesatzt."
Und da kam ein so starker Wind, daß er dem Kürdchen sein
Hütchen wegwehte über alle Land, und es mußte ihm
nachlaufen. Bis es wiederkam, war sie mit dem Kämmen und Aufsetzen
fertig, und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kürdchen bös
und sprach nicht mit ihr; und so hüteten sie die Gänse, bis
daß es Abend ward, dann gingen sie nach Haus.
Den andern Morgen, wie sie unter dem finstern Tor hinaustrieben, sprach
die Jungfrau
"O du Falada, da du hangest,"
Falada antwortete
"O du Jungfer Königin, da du gangest,
Wenn das deine Mutter wüßte
ihr Herz tät ihr zerspringen."
Und in dem Feld setzte sie sich wieder auf die Wiese und fing an ihr Haar
auszukämmen, und Kürdchen lief und wollte danach greifen, da
sprach sie schnell
"Weh, weh, Windchen,
Nimm Kürdchen sein Hütchen,
Und laß'n sich mit jagen,
Bis ich mich geflochten und geschnatzt,
Und wieder aufgesatzt."
Da wehte der Wind und wehte ihm das Hütchen vom Kopf weit weg,
daß Kürdchen nachlaufen mußte; und als es wiederkam,
hatte sie längst ihr Haar zurecht, und es konnte keins davon
erwischen; und so hüteten sie die Gänse, bis es Abend ward.
Abends aber, nachdem sie heim gekommen waren, ging Kürdchen vor den
alten König und sagte "mit dem Mädchen will ich nicht
länger Gänse hüten."
"Warum denn?" fragte der alte König.
"Ei, das ärgert mich den ganzen Tag."
Da befahl ihm der alte König zu erzählen, wies ihm denn mit ihr
ginge.
Da sagte Kürdchen "morgens, wenn wir unter dem finsteren Tor mit der
Herde durchkommen, so ist da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet sie
'O du Falada, da du hangest,'
da antwortet der Kopf
'O du Jungfer Königin, da du gangest,
Wenn das deine Mutter wüßte
ihr Herz tät ihr zerspringen.'"
Und so erzählte Kürdchen weiter, was auf der Gänsewiese
geschähe, und wie es da dem Hut im Winde nachlaufen müßte.
Der alte König befahl ihm, den nächsten Tag wieder
hinauszutreiben, und er selbst, wie es Morgen war, setzte sich hinter das
finstere Tor und hörte da, wie sie mit dem Haupt des Falada sprach:
und dann ging er ihr auch nach in das Feld und barg sich in einem Busch
auf der Wiese. Da sah er nun bald mit seinen eigenen Augen, wie die
Gänsemagd und der Gänsejunge die Herde getrieben brachte, und
wie nach einer Weile sie sich setzte und ihre Haare losflocht, die
strahlten von Glanz. Gleich sprach sie wieder
"Weh, weh, Windchen,
Nimm Kürdchen sein Hütchen,
Und laß'n sich mit jagen,
Bis ich mich geflochten und geschnatzt,
Und wieder aufgesatzt."
Da kam ein Windstoß und fuhr mit Kürdchens Hut weg, daß
es weit zu laufen hatte, und die Magd kämmte und flocht ihre Locken
still fort, welches der alte König alles beobachtete. Darauf ging er
unbemerkt zurück, und als abends die Gänsemagd heim kam, rief er
sie beiseite und fragte, warum sie dem allem so täte.
"Das darf ich Euch nicht sagen, und darf auch keinem Menschen mein Leid
klagen, denn so hab ich mich unter freiem Himmel verschworen, weil ich
sonst um mein Leben gekommen wäre."
Er drang in sie und ließ ihr keinen Frieden, aber er konnte nichts
aus ihr herausbringen. Da sprach er "wenn du mirs nicht sagen willst, so
klag dem Eisenofen da dein Leid," und ging fort.
Da kroch sie in den Eisenofen, fing an zu jammern und zu weinen,
schüttete ihr Herz aus und sprach "da sitze ich nun von aller Welt
verlassen, und bin doch eine Königstochter, und eine falsche
Kammerjungfer hat mich mit Gewalt dahingebracht, daß ich meine
königlichen Kleider habe ablegen müssen, und hat meinen Platz
bei meinem Bräutigam eingenommen, und ich muß als
Gänsemagd gemeine Dienste tun. Wenn das meine Mutter
wüßte, das Herz im Leib tät ihr zerspringen."
Der alte König stand aber außen an der Ofenröhre, lauerte
ihr zu und hörte, was sie sprach. Da kam er wieder herein und
hieß sie aus dem Ofen gehen. Da wurden ihr königliche Kleider
angetan, und es schien ein Wunder, wie sie so schön war. Der alte
König rief seinen Sohn und offenbarte ihm, daß er die falsche
Braut hätte: die wäre bloß ein Kammermädchen, die
wahre aber stände hier, als die gewesene Gänsemagd. Der junge
König war herzensfroh, als er ihre Schönheit und Tugend
erblickte, und ein großes Mahl wurde angestellt, zu dem alle Leute
und guten Freunde gebeten wurden.
Obenan saß der Bräutigam, die Königstochter zur einen
Seite und die Kammerjungfer zur andern, aber die Kammerjungfer war
verblendet und erkannte jene nicht mehr in dem glänzenden Schmuck.
Als sie nun gegessen und getrunken hatten und gutes Muts waren, gab der
alte König der Kammerfrau ein Rätsel auf, was eine solche wert
wäre, die den Herrn so und so betrogen hätte, erzählte
damit den ganzen Verlauf und fragte "welches Urteils ist diese
würdig?"
Da sprach die falsche Braut "die ist nichts Besseres wert, als daß
sie splitternackt ausgezogen und in ein Faß gesteckt wird, das
inwendig mit spitzen Nägeln beschlagen ist: und zwei weiße
Pferde müssen vorgespannt werden, die sie Gasse auf, Gasse ab zu Tode
schleifen."
"Das bist du," sprach der alte König, "und hast dein eigen Urteil
gefunden, und danach soll dir widerfahren." Und als das Urteil vollzogen
war, vermählte sich der junge König mit seiner rechten Gemahlin,
und beide beherrschten ihr Reich in Frieden und Seligkeit.
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